Hallo zusammen,
wir hatten kürzlich das Problem, dass eine externe Festplatte von Seagate den Geist aufgegeben hat. Ob das Netzteil der Festplatte die Platine getötet hat oder umgekehrt lässt sich nicht mehr feststellen. Auf alle Fälle hatte die Platine der Festplatte einen Kurzschluss.
1. nicht gleich wegwerfen:
Wichtig: nicht gleich die Platte wegwerfen und vor allem nicht die Platine in den Müll geben, ihr braucht sie ggf. noch!
Mit einer neuen Platine kann man der Platte unter Umständen ein neues Leben einhauchen. Bevor ihr jetzt sofort eine neue Platine bestellt, bitte kurz inne halten. Es kann sein, dass der Motor der Platte auch etwas abbekommen hat. Das lässt sich im Normalfall recht einfach testen: Platine abschrauben und einmal an den Motor-Kontakten paarweise den Widerstand messen. Ist er bei allen drei möglichen Kombinationen a) relativ klein und b) etwa gleich (in unserem Fall ~2 Ohm), dann ist der Motor mit großer Wahrscheinlichkeit noch intakt. Habt ihr einen Kurzschluss (0 Ohm) oder ist der Widerstand einer Paarung unendlich groß, dann braucht ihr im Prinzip nicht weiter lesen.
2. die erste Entscheidung: wo Ersatz kaufen?
Gehen wir also mal davon aus, dass der Motor noch läuft. Dann solltet ihr versuchen eine Ersatzplatine zu finden. Es gibt im Internet zahlreiche Anbieter, die die Platinen zwischen etwa 30€ und 60€ anbieten. Welchen ihr wählt, hängt vielleicht ein wenig vom Bauchgefühl ab. Die günstigen machen oft durch die Gestaltung der Webseite und vom Herkunftsland (i.d.R. China) schon den Eindruck, als ob man denen nicht unbedingt trauen möchte. Ich habe mich daher für einen Anbieter aus Kanada entschieden, der die Platine für 50 USD angeboten hat.
3. die zweite Entscheidung: alte Platine einschicken?
Jetzt kommt der entscheidende Punkt: wenn ihr eine neue Platine bestellt, hilft die euch erst einmal nicht weiter. Moderne Festplatten-Platinen besitzen ein BIOS, das die ID der Festplatte mit der ID abgleicht, die im BIOS gespeichert ist. Stimmt diese nicht überein, startet nicht einmal der Motor der Festplatte. Außerdem enthält das BIOS Informationen über eine Kalibration der Festplatte sowie Daten über defekte Sektoren. Das BIOS der alten Festplatte muss also an die neue Platine transplantiert werden. Und hier entsteht die zweite Entscheidung: bei den meisten halbwegs seriös erscheinenden Anbietern von Festplatten-Platinen ist ein Austausch des BIOS im Preis mit inbegriffen. Jetzt stellt sich für euch die Frage: wie sehr vertraut ihr einerseits dem Anbieter, dass er das BIOS wirklich vernünftig überträgt und vor allem, ob die Platine auf dem Postweg auch wirklich dort ankommt. Im Gegensatz dazu müsst ihr euch die Frage stellen: wie gut sind eure Löt-Kenntnisse und habt ihr überhaupt das Equipment? Dann könnt ihr entscheiden, ob ihr’s selbst probieren wollt oder das Risiko eingeht die Platine mit dem wichtigen BIOS zu verlieren. Ist die nämlich weg, könnt ihr die Rettung der Daten de facto vergessen.
Ich habe mich daher nach Absprache mit einem Arbeitskollegen, der das nötige Knowhow und Equipment besitzt, für die Variante 1 entschieden: selbst machen.
4. sie Umbauaktion:
Nachdem die Platine angekommen war, haben wir zunächst an der neuen Platine getestet, ob wir das BIOS auf normalem Weg abgelötet bekommen. Das hat nicht funktioniert. Wir haben allerdings eine sehr pragmatische Lösung gefunden, die letztlich zur Rettung der Daten vollkommen ausreichend war: auf der neuen Platine haben wir das BIOS mit einem kleinen Seitenschneider Beinchen für Beinchen abgetrennt. Die Reste der Beinchen haben wir sogar auf der Platine gelassen. Sie störten nicht. Dann haben wir mit einem Dremel das BIOS mit ein wenig Sicherheitsabstand aus der alten Platine herausgeschnitten. Gott sei dank war um das BIOS herum ein wenig Platz ohne weitere Bauteile. Dann haben wir die Beinchen des herausgeschnittenen BIOS paarweise auf einen Kurzschluss überprüft. Hierbei stellte sich heraus, dass die Beinchen #3 und #7 tatsächlich keinen Widerstand hatten. Ein Blick auf die neue Platine ohne BIOS zeigt jedoch, dass die beiden Beinchen unter dem BIOS über eine Leiterbahn verbunden waren. Das musste also so sein. Jetzt wurde an jedes der Beinchen des alten, herausgesägten BIOS ein Lackdraht angelötet und mit dem Pad auf der neuen Platine verbunden.
Fertig.
Das ganze sieht abenteuerlich aus (siehe Bilder) hat aber hervorragend funktioniert. So konnten die Daten von den Platte dann doch noch gerettet werden.
Jens