Es ist schon interessant. Offenbar sind die Politiker in den letzten zwei Jahren dazu übergegangen zunehmend das Internet als Ziel von wilden Schnellschuss-Aktionen zu nutzen. Da gibt es endlose Beispiele.
Einen ersten richtig großen Aufruhr gab es mit den – wie man jetzt in den USA sehen kann – nutzlosen Internetsperren via DNS-Umleitung. Damals gab es eine Petition und zahlreiche Klagen gegen die Installation von Internetfiltern. Es wurde jedoch gezeigt, dass es anders geht. Gemeinnützige Vereine wenden sich direkt an die Provider mit der Bitte um Abschaltung der betreffenden Seiten. Die Internetprovider zeigen sich laut Aussage des eco meist kooperativ und die Seiten sind in relativ kurzer Zeit vom Netz. Die entsprechende Umsetzung der Tätigkeiten im BKA findet jedoch nur halbherzig statt. Tatsächlich wurden die Planstellen sogar gekürzt. Man will ja schließlich die Internetsperren durchsetzen…
Dann kommt im Herbst diesen Jahres Axel E. Fischer, ein Mitglied des deutschen Bundestages, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft daher und fordert: Vermummungsverbot im Internet; was nichts anderes heißt, als dass es ein Verbot für Nicknames (Pseudonyme) im Internet geben soll. Warum ist jemand Vorsitzender einer Kommission zum Internet, wenn er so etwas von sich gibt?
Jetzt, im Rahmen der hochgepuschten Terrorgefahr, werden wieder Rufe nach einer ganzheitlichen Kontrolle des Internet-Verkehrs laut. Parallel dazu soll zum 1. Januar 2011 der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag unterzeichnet werden. Das Kernproblem ist, dass die Verabschiedung des JMStV in der derzeit vorgesehenen Form praktisch alle betrifft, die im Internet Inhalte anbieten. Egal ob Websites und Blogs von Privatpersonen, Foren und Chats, Internetauftritte von Unternehmen, gemeinnützige Dienste wie die Wikipedia, wirtschaftliche Plattformen wie MeinVZ oder Clipfish und Onlinespiele. Daher wird der JMStV auch von großen Teilen der Netzgesellschaft, Politikern, Juristen und Medienpädagogen als undurchführbar und für unsere Kultur und Demokratie als katastrophal angesehen. Trotzdem soll er noch in den nächsten Wochen unterzeichnet werden… ein Irrsinn.
Auch ich muss mein Blog auf Inhalte überprüfen und die Inhalte entweder nur zu bestimmten Zeiten oder mit einer entsprechenden Kennzeichnung anbieten. Wie das genau funktionieren soll weiß ich noch nicht. Liegt die Einschätzung falsch und mich schwärzt jemand an, habe ich ein großes Problem: in diesem Fall begehe ich eine Ordnungswidrigkeit und kann ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro erhalten. Das hat schon dazu geführt, dass viele Blog-Betreiber ihre Inhalte vom Netz nehmen.
Auf jeden Fall ist es anzuraten sich mal die 17 wichtigsten Punkte zum neuen JMStV anzusehen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was da kommt oder ob es in letzter Sekunde doch noch abgewendet werden kann. Es ist aber schön zu sehen, dass das Verhalten der Politik zumindest in meinem Umfeld eine Wirkung hat, die mit einem Zitat von Max Winde schön beschrieben werden kann:
Ihr werdet euch noch wünschen wir wären politikverdrossen.
Jens